So war’s auf der Brücke 20.0

Wie wird das gegenseitige Bild von Deutschen und Tschechen durch Desinformationen beeinflusst?

Bei der letzten Diskussion, die in unserer Straßenbahn 20 stattgefunden hat, unterhielt sich die Moderatorin und Journalistin Bára Procházková mit ihren Kollegen Kilian Kirchgessner und Pavel Polák. Kilian ist bereits seit 2005 in Tschechien als Korrespondent für verschiedene deutsche Medien tätig, Pavel Polák hingegen ist seit vier Jahren der Auslandsberichterstatter des Tschechischen Rundfunks in Berlin. Beide sind Laureaten des Deutsch-Tschechischen Journalistenpreises.

Die Arbeit von Journalisten ist in der heutigen Zeit nicht gerade einfach. Schon längst sind sie nicht mehr selbst diejenigen, die die gegenseitige Wahrnehmung der Nachbarn beeinflussen, stimmen die Diskutanten überein. Die Menschen haben Kontakte untereinander geknüpft, sie können ins Nachbarland zu Besuch fahren. Vor allem aber übernehmen die sozialen Medien in gewisser Weise den Service, als Informationskanäle zu fungieren.

Es ist interessant sich darüber bewusst zu werden, welche Art von Informationen über den Nachbarn für Tschechen und welche für Deutsche relevant sind. Während in den tschechischen Nachrichten über Deutschland Meldungen über das aktuelle Geschehen in der deutschen politischen Szene dominiert, ist der deutsche Blick nach Tschechien von dieser Art von Nachrichten etwas geklärt. In den deutschen Medien bekommen die Geschichten von Menschen hinter den Kulissen öfter einen Platz. Berichte, die einen tieferen Einblick geben, was in Tschechien passiert und warum. An diesen Geschichten gibt es in Deutschland ein relativ großes Interesse, was damit zusammenhängt, dass in diesem Land eine recht große Anzahl öffentlich-rechtlicher Medien existiert, also Kanäle, die solche Formate ausstrahlen können. Darüber hinaus ist es tatsächlich schwierig, solche Geschichten in die Hauptsendezeit zu legen.

Was finden wir wiederum in den deutschen Medien nicht so häufig? Aus der Sicht von Kilian gelingt es Beiträge zu regulieren, die geläufige Klischees festigen. Und das u.a. dadurch, dass Korrespondenten die Möglichkeit haben zu bewerten, in wie weit gegebene Informationen relevant sind bzw. in wie weit es überflüssig ist, sich ihnen zu widmen. Die Anwesenheit eines Korrespondenten, der für längere Zeit im Land tätig ist, gibt nicht nur die Möglichkeit aktuelle Informationen aufzunehmen, sondern auch ihren Hintergrund einzubeziehen. So entwickelt und konkretisiert er bis zu einem gewissen Punkt das Bild, welches schließlich weitergegeben wird.

Ein großes Thema der heutigen Zeit (und auch unserer Diskussion in der Straßenbahn) sind natürlich die Desinformationen und wie es ihnen gelingt das zu beeinflussen, was wir übereinander denken.

Bára Procházková stellte das Ergebnis ihrer Internetumfrage vor: Sie gab in die Suchmaschine die Wörter německý / Německo / Tschechien / tschechisch ein und erstellte eine Übersicht darüber, welche Nachrichten Google ihr anbot. Das Interessante daran war, dass die Informationen über Deutschland und Tschechien sich sowohl vom Typ her als auch vom Inhalt unterschieden. Während die ersten Links, die den deutschen Nutzern angezeigt wurden, inhaltlich vor allem auf das praktische Leben ausgerichtet waren (wo kann man Stadtpläne kaufen, wie hoch sind die Benzinpreise, Au-Pair), handelte es sich bei den Links auf den oberen Plätzen für tschechische Nutzer um Nachrichten von desinformierenden Webseiten. Diese nahmen sehr oft Bezug auf die Flüchtlingsthematik.

Pavel und Kilian kamen überein, dass solche Informationen für sie konkret ein Anlass sind, (auch auf Anregung durch ihre Leser und Hörer) darauf zu reagieren, ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und sie anschließend zu dementieren. Gerade hier zeigt sich, wo der Hauptunterschied zwischen qualitativer journalistischer Arbeit und dem Informationsfluss in den sozialen Medien liegt: in der sorgfältigen Untersuchung solcher Quellen und der Überprüfung mittels vertrauenswürdiger Ressourcen.

Die Gäste in unserer Straßenbahn sprachen auch über eine Weiterentwicklung innerhalb der Gesellschaft, die sie in Zusammenhang mit dem Aufnehmen von Informationen wahrnehmen: allgemein sind die Leute anfälliger, aufsehenerregenden Nachrichten, die dem gesunden Menschenverstand eigentlich widersprechen, mehr Glauben zu schenken. Häufig ist es die Meinung dieser Menschen, dass auf der Welt so viele bizarre Dinge passieren würden, dass im Grunde genommen alles möglich wäre.

Die Freiheit des Informationsstroms in den sozialen Medien bringt natürlich sowohl positive als auch negative Seiten mit sich: Aktuell gilt in Deutschland ein Gesetz, das sich darum bemüht, Desinformationen zu steuern und Beiträge in den sozialen Medien zu beschränken. Einerseits ist die Idee sicherlich positiv zu bewerten und die sozialen Netzwerke sind um eine Vielzahl zweifelhafter Nachrichten sauberer, andererseits stoßen wir so in Deutschland selbst auf die Frage der Redefreiheit und der Zensur, die dieser Zugang mit sich bringt. Nicht zuletzt geht es auch um den Zugang zu Satire, die in dieser Umgebung sicherlich nicht funktionieren kann, wie Pavel Polák anmerkt.